Am Mittwoch, den 11. Juli 2018 wurde das Urteil im NSU-Prozess verkündet. Das bundesweite Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ kritisiert die fehlende Aufklärung des NSU-Komplexes und die unzureichenden Ermittlungen gegen weitere MittäterInnen.

Mittwoch, den 11. Juli 2018

Kassel/Berlin. Am Oberlandesgericht in München wurde am heutigen Mittwoch nach 5 Verhandlungsjahren das Urteil gegen die Angeklagte Beate Z. und vier weitere Mittäter im NSU-Prozess verkündet. Der NSU verübte zwischen 1999 und 2007 in der gesamten Bundesrepublik rassistisch motivierte Verbrechen, darunter mindestens drei Sprengstoffanschläge und zehn Morde. 
„Über ein Jahrzehnt konnten Neonazis unbehelligt mordend durch Deutschland reisen, während die Angehörigen der Opfer stigmatisiert und kriminalisiert wurden“ kritisiert das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus. Das Bündnis weiter: „Bis heute wurde der NSU-Komplex nicht vollständig aufgelöst. Insbesondere die Rolle des Verfassungsschutzes bleibt weiterhin im Dunkeln. Auf der Anklagebank fehlen weitere MittäterInnen und HelferInnen des NSU-Kerntrios“.
Die Taten des NSU wurden über Jahre durch ein rechtsterroristisches Netzwerk geplant, unterstützt und durchgeführt. Die TäterInnen bewegten sich dabei in der Nähe des Verfassungsschutzes. So war beim Mord an Halit Yozgat in Kassel am 6. April 2006 der sogenannte Verfassungsschützer Andreas Temme am Tatort. Die Aussagen von Andreas Temme, er habe vom Mord an Halit Yozgat nichts gemerkt, gelten als unglaubwürdig. Dennoch gibt es für ihn bis heute keine Konsequenzen und er arbeitet weiterhin im Staatsdienst. Auch der Tatsache, dass sich Kollegen der ermordeten Polizistin Michele Kiesewetter im Umfeld des Ku-Klux-Clan bewegt haben, wurde nicht weiter nachgegangen.
Weniger glimpflich verliefen die Mordermittlungen zu Beginn für die Familien der Opfer. Diese wurden wie die Opfer selbst systematisch kriminalisiert und die Ermittlungen der SoKo „Bosporus“ und die öffentliche Kennzeichnung der Mordserie als „Dönermorde“ waren eindeutig rassistisch besetzt. Die Bundesrepublik Deutschland hat ein Jahrzehnt nicht dafür gesorgt, Menschen vor rechter Gewalt zu schützen und mordende Neonazis zu stoppen. Es muss endlich aufgearbeitet werden, welchen Einfluss struktureller und institutioneller Rassismus auf die Ermittlungsverfahren hatte. 
Darüber hinaus ist die Auflösung des NSU-Komplexes mit der Urteilsverkündung am Mittwoch nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: der Inlandsgeheimdienst, der durch Aktenschreddern und „Quellenschutz“ nach Kräften die Aufklärung verhindert hat, geht bisher materiell und institutionell gestärkt aus dem Skandal hervor. Viele Organisationen werden deshalb in München und etlichen anderen Städten demonstrieren und fordern: Kein Schlussstrich.